Monatsarchiv: Februar 2020

In Sachen (Lohn)Arbeit

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[…]Der Arbeitsbegriff unterliegt dem Wandel der Zeit. Wie bereits erwähnt, war es in der Antike und im Mittelalter alles andere als ehrenhaft, Lohnarbeit zu verrichten. Die oberen Stände philosophierten und widmeten sich der Politik. Mühen und plagen mussten sich die sogenannten unteren Schichten. Daran hat sich zwar nicht allzu viel geändert, doch wer hart und schmutzig lohnarbeitet soll sich heutzutage zumindest in Westeuropa nicht mehr offiziell für sein Tun schämen. Abneigung, Abscheu und Häme gegen die, die uns in allen Lebensbereichen den Dreck wegzuputzen (müssen), besteht zwar nach wie vor, wird heute jedoch subtil geäußert. Wer hart und schmutzig lohnarbeitet und beispielsweise zu streiken wagt, um für einen zumindest überlebenssichernden Lohn zu streiten, muss sich nicht selten die Frage gefallen lassen, ob es denn nicht mal langsam genug wäre. Genug mit dem Niederlegen der Lohnarbeit, die verrichten zu dürfen man dankbar sein solle, denn immer mehr dürften nicht. Und genug mit dem Geld, das einem doch bereits gezahlt würde. Es wird Gier unterstellt. Anmaßung. Oft auch fehlende Moral. Eine Krankenschwester hat den Alten und Kranken zu Diensten zu sein, das hat sie sich schließlich so ausgesucht. Fällt sie aus, gar absichtlich, um zu streiken, ist es um ihr Pflichtbewusstsein schlecht bestellt. Je härter und mieser bezahlt jemand lohnarbeitet, um so höhere Moral wird erwartet – nebst tadellosem Pflichtbewusstsein. ArbeitskraftnehmerInnen sind hingegen weitgehend ausgeschlossen vom Moral-Contest. Sie sind die Unentbehrlichen. Sie in die Gemeinde zu locken, lässt man sich etwas kosten, zum Beispiel Großzügigkeit in Sachen Empörung ob fehlenden Anstands.

In dem Punkt zumindest hatten es die LohnarbeiterInnen der Antike und des Mittelalters einfacher. Sie hatten nichts zu verlieren, sie galten ganz offiziell als unwerte Lumpen, und zwar deshalb, weil sie sich plagen mussten. Dass sie Moral und Sittlichkeit besaßen, vermuteten die von ihnen bedienten ArbeitskraftnehmerInnen von vornherein nicht.

Und dann, ein bisschen später, kam Marx

Ein erklärter Liebhaber der Lohnarbeit war der Gesellschaftstheoretiker und Ökonom Karl Marx (1818- 1883) nicht, dennoch muss er bis heute als Held der parteilosen wie parteigebundenen linken LohnarbeitsfetischistInnen herhalten. Marx wird gefeiert von KommunistInnen über SozialistInnen bis hin zu solchen Linken und LINKEN (wenn auch offenbar nicht immer gelesen oder verstanden), die einer oder einer nach der anderen zumeist brotlosen aber staatlich subventionierten oder geförderten (Lohn)Arbeit im Bereich Kultur oder online-Dienstleistung nachgehen. Oder auf andere Art eine ruhige Kugel schieben, also ihre Zeit (zum Beispiel in Form von Immatrikulation auf Lebenszeit) damit zubringen, über Wesen und Schicksal der Lohnarbeitenden zu philosophieren.

Es liegt mir fern, hier Karl Marx‘ Werk auszurollen, dennoch möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Textauszug zitieren, und zwar deshalb, weil die Sozial-ist-was-Arbeit-schafft-Hymne seiner späten AnhängerInnenschaft Marx eventuell irritiert hätte. Bestenfalls.

So sprach Marx zwar von Arbeit als „ewiger Naturnotwendigkeit“, meinte damit aber offenbar nicht die Lohnarbeit. Oder war unentschieden, was Lohnarbeit anging, zu der er sich unter anderem auch so äußerte:

[…] Es ist eins der größten Mißverständnisse, von freier, gesellschaftlicher menschlicher Arbeit, von Arbeit ohne Privateigentum zu sprechen. Die , Arbeit‘ ist ihrem Wesen nach die unfreie, unmenschliche, ungesellschaftliche, von Privateigentum bedingte und das Privateigentum schaffende Tätigkeit. Die Aufhebung des Privateigentums wird also erst zu einer Wirklichkeit, wenn sie als Aufhebung der Arbeit gefaßt wird […].“

Quelle: Karl Marx: Über Friedrich Liszt, Berlin 1972, S. 24.

 

aus: Aber sie arbeiten doch – Alphabet der linken Liebe zur Lohnarbeit

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Die Linke und die Lohnarbeit…

…ist ein wenig erbauliches Thema. Ich sprach im Januar mit Ulrike Göking darüber und über mein Buch zum Thema. Wer die Sendung verpasst hat muss sich nicht grämen, denn sie steht jetzt in der Mediathek

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